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Rechtliche Aspekte des Coronavirus in der Schweiz IV – Der Gang ins Ungewisse

Das Corona Virus hat aktuell unser ganzes Leben im Würgegriff und beeinträchtigt unseren Alltag. Dies nicht nur aus medizinischer oder wirtschaftlicher Sicht, sondern auch aus rechtlichen Aspekten. Da dieser Zustand voraussichtlich noch einige Zeit andauern wird und auch die wirtschaftlichen Folgen derzeit nur schwer abzuschätzen sind, sollten sich Unternehmen und Unternehmer bereits heute Gedanken machen, wie ihre Unternehmen längerfristige die Krise überstehen. Sicher ist, dass es ein Leben nach dem COVID-19 geben wird. Daher gilt es, die Zeit bis dahin möglichst unbeschadet zu überstehen.

Im Folgenden wollen wir einige (rechtliche) Aspekte und Prioritäten wie Cash-Management und betreibungsrechtliche Aspekte sowie interne Geschäftsabläufe, arbeits- und mietrechtliche Aspekte aber auch das Vertragsmanagement und Umstrukturierungsfragen beleuchten, die von jedem Unternehmen und Unternehmer in der aktuellen Situation beachtet werden sollten. 

  • Cash-Management und Cash-Erhaltung

Unternehmen gehen in der Regel nicht wegen mangelnder Vermögenswerte, sondern wegen mangelnder Liquidität Konkurs. Daher ist dem Cash-Management und dem Erhalt von genügenden Cash-Reserven in der aktuellen Lage grossen Augenmerk zu schenken. Nur mit ausreichend Liquidität kann ein Unternehmen auch in der Krise seinen finanziellen Verpflichtungen nachgehen und seinen Betrieb aufrechterhalten.

Der Bundesrat hat mit seinem Hilfsprogramm für KMU schnell und praktisch reagiert. Für bis zu 10% des Umsatzes des letzten Jahres, max. CHF 500’000.00, kann ein vom Bund abgesicherter Kredit ohne grosse Formalitäten von der Hausbank bezogen werden. Die grosse Nachfrage zeigt, dass sich zahlreiche Unternehmen Gedanken über ihre Liquidität machen und deswegen einen solchen Überbrückungskredit angefordert haben.

So einfach der Bezug dieses Überbrückungskredites ist, so anspruchsvoll ist der Umgang damit. Diese Überbrückungskredite sollen dazu dienen, Unternehmen, welche von Massnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung des Corona Virus betroffen sind, zu helfen, diese Massnahmen zu überstehen. Deshalb wurden sie vom Bund mit Auflagen verbunden, damit bezogene Kredite nur für die Liquiditätserhaltung eingesetzt werden. Daher dürfen während der Dauer des Kreditbezuges beispielsweise keine Investitionen ins Anlagevermögen vorgenommen werden (nur Ersatzinvestitionen sind erlaubt). Dies kann vor allem mittel- bis langfristig gesehen zu Einschränkungen führen, wenn keine wichtigen Anschaffungen oder Geschäftsexpansionen getätigt werden können, die u.U. einem Unternehmen das Überleben sichern sollen.

  • Betreibungsrechtliche Aspekte

Aber auch eine Schuldenumlagerung mit Hilfe des Überbrückungskredits des Bundes kann einem Unternehmen langfristig u.U. nicht wirklich helfen, seine Liquiditätsbasis aufrecht zu erhalten. Braucht ein Unternehmen z.B. den bezogenen Hilfskredit dazu, fällige Schulden bei Lieferanten zurück zu bezahlen, ist seine Liquiditätsbasis dadurch nicht weiter gestärkt. Zwar mögen betreibungs- und konkursrechtliche Folgen damit mittelfristig abgewendet werden, doch wird die Liquidität anderweitig fehlen.

Daher empfiehlt es sich in der aktuellen Lage, das Gespräch mit Gläubigern zu suchen, um über eine Verlängerung von Zahlungsfristen, einem Zahlungsaufschub oder Abzahlungen zu verhandeln oder für ausstehende Schulden Sicherheiten bspw. in Form einer Solidarbürgschaft anzubieten, um dadurch die eigene Liquidität zu schützen und sie nicht aufzubrauchen.

Auf der anderen Seite sollten sich Unternehmen auch als Gläubiger gegenüber ihren eigenen Kunden und Schuldnern absichern, um nicht in einen Liquiditätsengpass zu geraten. Ein zweckdienliches Mittel dazu können Anpassungen des eigenen Rechnungsprozesses sein oder die Verkürzung von eigenen Zahlungsfristen, damit eigene Rechnungen schneller versandt, bezahlt oder bei Nichtbezahlung eingetrieben werden können.

Säumige Schuldner profitieren aktuell vom Betreibungsstopp, den der Bundesrat bis zum 19. April 2020 verhängt hat und auch von den bereits seit dem 21. März 2020 geltenden Gerichtsferien sowie dem damit verbundenen Fristenstillstand. Dies mag vorerst zu Erleichterungen resp. einem Aufschub führen. Es ist aber zu bedenken, dass die Betreibungen und Klagen nach Ablauf dieser Fristen weitergehen werden und deswegen die Zahlungspflicht der Schuldner nicht aufgehoben wird. Daher erscheint es auch hier angezeigt, dass Unternehmen als Gläubiger mit ihren säumigen Zahlern aktiv das Gespräch suchen und über Abzahlungsmöglichkeiten, Stundungen etc. sprechen, bevor es sowohl für Gläubiger als auch für Schuldner zu spät ist.

Wie eingangs erwähnt, können Liquiditätsengpässe bei Unternehmen im schlimmsten Fall zum Konkurs führen. Dies gilt sowohl für Schuldner wie auch für Gläubiger. Nur mit gemeinsamen Lösungen können Zahlungsschwierigkeiten und Konkurse abgewendet werden. Dies setzt aber eine Kommunikation zwischen beiden Parteien voraus. Sofern ein Konkurs wider Erwarten unumgänglich werden sollte, stellt sich die Frage, eine Nachlassstundung vom Gericht zu beantragen, um dadurch Zeit zu gewinnen und mit den Gläubigern über Abzahlungsmöglichkeiten der Schulden zu verhandeln.

  • Gewährleistung von internen Prozesse und Abläufen

In sehr vielen Unternehmen arbeitet derzeit die Mehrheit der Mitarbeitenden zu Hause im Home Office. Da dieser Zustand noch eine Weile andauern dürfe, erscheint es für Unternehmen angezeigt, ihre internen Abläufe und Prozesse längerfristig auch darauf einzustellen und anzupassen, damit gewährleistet ist, dass sie operativ wirkungsvoll bleiben. Dazu gehört auch, dass Entscheidungsprozesse überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, damit Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen handlungsfähig bleiben und ihre Führungsverantwortungen wahrnehmen können. Aus diesem Grund müssen intern auch die notwendigen Reglemente wie z.B. das Organisationsreglement, aber auch Stellvertretungsregelungen oder Unterschriftenreglemente überprüft werden, damit, auch wenn ein oder mehrere Mitarbeiter tatsächlich am Corona Virus erkranken und ausfallen, der Zugriff auf das Geschäftsbankkonto sichergestellt ist und notwendige Vollmachten bestehen.

Aber auch sämtliche operativen Aspekte müssen kritisch betrachtet werden, ob diese unter den veränderten Umständen noch wirksam funktionieren und umgesetzt werden, wenn Personal nicht mehr persönlich anwesend ist oder ausfällt oder Lieferungen nicht oder nicht mehr rechtzeitig eintreffen. So sind Businesspläne anzupassen, Lagerbestände zu überprüfen, Bestellungen und Lieferungen anzupassen, Preise und Sonderangebote anzudenken usw., um das Geschäft weiterhin am Laufen zu halten.  

Auch die verschiedenen vom Bundesrat erlassenen Massnahmen und Empfehlungen müssen in interne Reglemente und Vorschriften umgesetzt werden (z.B. Hygienevorschriften), damit einerseits die Arbeitnehmenden ihre Arbeit sicher verrichten können und der Arbeitgeber seiner arbeitsrechtlichen Sorgfaltspflicht nachgekommen ist. Aber auch gegenüber Kunden und Geschäftspartnern muss sichergestellt werden, dass das Geschäft weiterläuft, indem die Kommunikation aufrechterhalten wird und die Mitarbeitenden erreichbar sind.

  • Arbeitsrechtliche Aspekte

Das Personal ist für jeden Betrieb das wichtigste Kapital. Daher stellen Veränderungen im Personalbestand für jedes Unternehmen die einschneidensten Massnahmen dar. Sofern die aktuelle Krise längerfristig andauert oder sich weiter verschärft, dürfte auch ein Personalabbau ein Thema werden, mit dem sich jedes Unternehmen befassen muss.

Der Bundesrat hat in seinen Erläuterungen zur Notverordnung (COVID-19 Solidarbürgschaftsverordnung) festgehalten, dass Unternehmen ihren Personalaufwand nicht mittels Hilfskredit decken sollen, sondern über die COVID-Massnahmen in den Bereichen Kurzarbeit und Erwerbsersatz, welche im Gegensatz zum Hilfskredit nicht zurückbezahlt werden müssen. Entsprechend sind frühzeitig innerbetrieblich die notwendigen Vorkehrungen und Gespräche zu führen, damit die Gesuche für Kurzarbeit und Erwerbsersatz rechtzeitig eingereicht werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass die Behörden aktuell mit solchen Gesuchen überflutet werden und deshalb mit längeren Bearbeitungszeiten gerechnet werden muss.

Sollte Kurzarbeit keine Alternative oder Lösung für das gesamte Personal sein, so können Vereinbarungen über Lohnkürzungen oder -stundungen, aber auch der Bezug von unbezahlten Ferientagen oder die Änderungen der Anstellungsbedingungen eine mögliche Lösung zur Rettung eines Unternehmens, der Arbeitsplätze, aber auch des Liquidationsbedarfs sein. Dies bedarf jedoch der Mitwirkung beider Seiten und einer offenen Unternehmenskommunikation, damit beide Parteien Klarheit über die Situation haben.

Sollte ein Personalabbau unausweichlich werden, sind vor allem die Kündigungsfristen rechtzeitig im Voraus zu beachten. Im Falle einer Massenentlassung, die bereits bei einer Kündigung von mehr als 10 Arbeitnehmenden vorliegen kann, sind zudem die vorgeschriebenen Meldeverfahren zu beachten, damit die Kündigungen nicht missbräuchlich sind. 

  • Vertragsmanagement

Neben dem Cash-Management sowie betreibungs- und arbeitsrechtlichen Aspekten gilt es aktuell auch dem Vertragsmanagement grosse Bedeutung zuzuwenden. Sämtliche wichtigen Verträge eines Unternehmens sollten kritisch begutachtet werden, vor allem hinsichtlich der Frage, ob sie unter den veränderten Umständen weiter eingehalten und umgesetzt werden können und was die Folgen von Vertragsverletzungen sind. Insbesondere ist dabei zu beachten, ob allenfalls Force Majeure-Klauseln oder Material Adverse Changes-Klausen zum Tragen kommen, aber auch ob eine allfällige Vertragsverletzung zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung führt oder Schadenersatzzahlungen auslöst. Auch hier empfiehlt es sich, mit Vertragspartner möglichst früh Kontakt aufzunehmen, um für allfällige vertragliche Schwierigkeiten und Verletzungen Lösungen zu finden, sodass ein Vertragsverhältnis aufrechterhalten werden kann.

Auch beim Abschluss von neuen Verträgen sollte die COVID-19 Situation und die damit verbundenen Risiken und Folgen in die Überlegungen miteinbezogen werden. Bei einem neuen Vertrag werden Force Majeure- und Material Adverse Changes-Klauseln kaum helfen, da COVID 19 kein Force Majeure– oder Material Adverse ChangesEvents mehr sein dürfte. Auch die weiteren durch die Pandemie ausgelösten Folgen sollten vertraglich ausreichend berücksichtigt werden.

  • Mietrechtliche Aspekte

Von der bundesrätlich angeordneten Betriebsschliessung sind aktuell vor allem das Gastgewerbe und Gewerbebetriebe mit Ladenflächen betroffen. Der Bundesrat hat in seiner COVID-19-Verordung Miete und Pacht vom 27. März 2020 beschlossen, die Zahlungsfristen für rückständige Mietzinszahlungen und Nebenkosten, die im Zeitraum zwischen dem 13. März 2020 und dem 31. Mai 2020 entstehen, auf 90 Tage zu verlängern. Dies mag den betroffenen Betrieben einen Zahlungsaufschub verschaffen, befreit sie jedoch nicht von der Mietzinszahlung. Viele Mieter machen daher aktuell auch einen Mangel an der Mietsache geltend, da ihre Betriebe geschlossen wurden, damit sie keine Miete bezahlen müssen. Die Rechtslage dazu ist derzeit noch nicht abschliessend geklärt und bedarf wohl eines richterlichen Entscheids, um Klarheit zu schaffen. Den Mietern verschafft es aber zumindest zusätzliche Zeit. Die Vermieter setzt dies hingegen wirtschaftlich in Zugszwang, da sie auf die rechtzeitige Bezahlung der Mietzinse ihrer Mieter angewiesen sind und sie auf die ausbleibende Mietzinszahlung reagieren müssen, um ihre Rechte zu bewahren. Dies kann schlussendlich zu einer Kündigung der Mietlokalität führen und im Extremfall auch zum Unternehmenskonkurs.

In diesem Zusammenhang sind die aktuellen Meldungen interessant, wonach die beiden Unternehmen Adidas und H&M verlauten liessen, dass sie aufgrund der aktuellen Lage ihre Mietzinszahlungen aussetzen. Diese Haltung der beiden Grosskonzerne hat vor allem bei der deutschen Bevölkerung zu Unverständnis geführt, dass sie in diesen Zeiten keine Solidarität zeigen und sich ihren Verpflichtungen entziehen, während die restliche Bevölkerung dies nicht tut. Der dadurch für diese beiden Unternehmen verursachte Imageschaden dürfe schwerer wiegen, als die geschuldeten Mietzinszahlungen.

Im Zusammenhang mit einer Betriebsschliessung können sich zudem auch versicherungstechnische Fragen stellen, wenn das Unternehmen eine Betriebsversicherung abgeschlossen hat, die eigentlich für Betriebsausfälle aufzukommen hat. Diesfalls ist zu prüfen, ob diese Versicherung auch für den Fall einer Pandemie zum Einsatz kommt oder ob der Anspruch diesfalls ausgeschlossen ist.

  • Umstrukturierungen

Umstrukturierungen sind ebenfalls ein Mittel, um die bestehende Krise zu überwinden. Diesbezüglich ist zu überlegeben, ob allenfalls Unternehmensteile wirtschaftlich und/oder rechtlich abgespaltet, verkauft oder ganz oder vorübergehen still gelegt werden können oder müssen, um Kosten zu sparen und dadurch Liquidität zu sichern. Dies sind Entscheidungen, die regelmässig eine langfristige Planung erfordern, weshalb auch derartige Massnahmen vorzeitig in Betracht gezogen werden sollten, damit sie rechtzeitig umgesetzt werden können und auch die entsprechende Wirkung zeigen.

  • Zusammenfassung

Wie eingangs angesprochen sind Unternehmen und Unternehmer derzeit gut beraten, die wirtschaftlichen, aber auch die rechtlichen Folgen der Corona-Krise für ihr Unternehmen frühzeitig zu bedenken. Nebst den wirtschaftlichen Folgen haben die aktuell geltenden Massnahmen, aber auch das Verhalten aller Wirtschaftsteilnehmer vor allem rechtlich nicht unerhebliche Auswirkungen, die nicht nur die Liquidität eines Unternehmens stark beeinträchtigen und gefährden können, sondern auch seine Existenz.

Wie mehrfach erwähnt ist derzeit vor allem eine gute Kommunikation gegen innen mit den Mitarbeitenden, aber auch gegen aussen mit Kunden und Geschäftspartnern von grosser Wichtigkeit, da sie die Möglichkeit und Grundlage schafft, anstehende Probleme gemeinsam zu lösen.

Weiter empfiehlt es sich, dass sich Unternehmen und Unternehmer bereits heute mit ihren Beratern und Spezialisten für die angesprochenen Themen in Verbindung setzen, um sich mit den anstehenden Risiken und Fragen zu befassen. Einige der angesprochenen Bereiche wie z.B. das Cash-Management sind dabei von Anfang an zu beachten, während andere Themen wie z.B. Personalabbau und Umstrukturierungen erst bei einer länger andauernden Krise zum Tragen kommen. Dennoch sollten jedes Unternehmen und jeder Unternehmer darauf vorbereitet sein.

Gerne stehen Ihnen die Anwälte der Bihrer Rechtsanwälte AG für eine proaktive Beratung, für eine Analyse der Rechtslage oder für die Implementierung sowie Überprüfung von Massnahmen zur Verfügung.

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